Auf unserer letzten Reise nach Marokko trafen wir Barbara und Andreas im Hochgebirge von Altas, die ebenfalls auf den Straßen Marokkos unterwegs waren, um verborgene Schätze im Süden Marokkos zu entdecken. Wir waren sehr fasziniert von ihrer Geschichte und freuen uns, sie mit Ihnen zu teilen.
Wir „verstecken“ uns hinter marokko-erfahren.de : Barbara, geb. 1960 und Andreas, geb. 1962. Unsere Leidenschaft für Marokko entstand bereits bei unserem ersten Besuch des Landes im Jahr 1991. Von der kulturellen Vielfalt, der Offenheit, Freundlichkeit und Gastfreundschaft seiner Bewohner sind wir seitdem fasziniert.
Barbara und Andreas in Agadir fotografiert von Prof. El Hassane Beraaouz
Als Grundschullehrerin und als Tischler haben wir unseren Lebensunterhalt bestritten. Später, als unsere beiden Kinder eigene Reisepläne schmiedeten, beschäftigten wir uns intensiv mit Marokko – neben den Reisen studierten wir aktuelle und historische Literatur. In diesem Zusammenhang stießen wir auf weiterführende Kontakte und bauten ein interessantes Netzwerk auf.
2017/2018 mieteten wir südlich von Agadir ein Traumhaus am Atlantik um ausreichend Zeit für Besuche der zahllosen, meist unbekannten Kulturschätze zu haben. So lernten wir auch viele Marokkaner kennen, aus manchen Kontakten entwickelten sich gute Freundschaften. Seitdem sind wir mehrmals jährlich im Land unterwegs, um neue Sehenswürdigkeiten zu lokalisieren, zu fotografieren um sie wiederum anderen zugänglich zu machen.
Mittlerweile haben wir unsere erlernten Berufe aufgegeben und beschäftigen uns ausschließlich mit unserem Lieblingsland. Das Pendeln zwischen Marokko und Deutschland sehen wir für uns als beste Variante, um in beiden Kulturkreisen temporär zu leben, Kontakte aufrecht zu erhalten, Neues zu erforschen bzw. entsprechend aufzuarbeiten.
Das war 1991. Ein verregneter Sommer war für uns der Anlass, spontan in einem Reisebüro eine Pauschalreise nach Agadir zu buchen – zwei Wochen Sonnengarantie. Schon nach wenigen Tagen fiel uns im Hotel die Decke auf den Kopf, wir mussten erkennen, dass ein reiner Badeurlaub doch nicht die zufriedenstellende Urlaubsform für uns ist. So mieteten wir ein Auto, einen weinroten R4 und tourten ausgerüstet mit einer Michelin-Karte (Maßstab 1:1.000.000) nach Marrakech, Taroudant und Akka. Toll war das, heute schütteln wir den Kopf über diese unbekümmerte Art zu reisen. Wasservorräte? – hatten wir nicht dran gedacht! Reservebenzinkanister? – gab es im Auto nicht! Straßenverhältnisse? – wir nahmen es, wie es kam! Und trotzdem ging alles glatt, ein großes Samenkorn der Leidenschaft pflanzte sich seitdem in unseren Seelen ein.
1991 in der Nähe Akka
marokko-erfahren ist eine unabhängige Privatinitiative zur Förderung von Beschäftigung und Kulturerhalt. Wir haben uns für diesen Namen entschieden, weil er unserer Intention wenig fahren – viel erfahren am nächsten kommt.
Unsere intensive Beschäftigung mit Baukunst und Historie der Imazighen („Berber“) führte zu weiteren interessanten Sehenswürdigkeiten: nicht nur die Dinosaurier hinterließen Spuren, auch für die frühzeitliche Besiedlung durch den Menschen gibt es zahlreiche Zeugnisse. Zu unserer großen Verwunderung und Enttäuschung erkannten wir jedoch schnell, dass viele wenig erforschte und dokumentierte kulturhistorisch bedeutende Schätze in Vergessenheit geraten und der Zerstörung, Plünderung sowie dem Verfall preisgegeben sind.
Hellhörig machte uns zusätzlich der Satz eines guten Freundes, der als Guide mit Touristen unterwegs ist: "80% der Marokkaner kennen nicht mal 20% der Ziele, die ihr kennt!"
Durch die touristische Nutzung der vielen Sehenswürdigkeiten besteht für die sehr armen Bewohner die Option auf eine Einnahmequelle, durch welche die stets wachsenden Not der Bevölkerung gebremst werden könnte.
So nahm unser Projekt, dass europaweit möglichst viele Menschen Marokko erfahren können, um die bekannten und unbekannten kulturellen Sehenswürdigkeiten vieler Interessensbereiche kennen zu lernen, Form an. Unsere Webseite marokko-erfahren.de entstand. Die von uns entwickelten touristischen Landkarten, die auch als Reiseführer genutzt werden können, bieten auf der Textseite dreisprachige detaillierte Informationen zu den angegebenen Zielen. GPS-Koordinaten ermöglichen das problemlose Auffinden der erwähnten Orte, so dass jede Zielgruppe individuell Marokko erfahren kann.
Kann man in dem Fall von Fans sprechen? Begeistert von unserem Projekt sind Marokko-Liebhaber, die gern abseits des angebotenen Mainstreams das Land kennenlernen möchten. Dabei werden die informativen Beiträge zu dargestellten Themenbereichen positiv hervorgehoben.
Gelegentlich erreichen uns Rückmeldungen von Reisenden, die unsere Publikationen als Informationsquelle genutzt haben, um uns mitzuteilen, wo sie unterwegs waren, was sie dabei erlebt haben. Solche Beiträge lesen wir mit großer Freude.
Vielleicht kann man bei dieser Frage auch den Inhaber eines Leipziger Marokko-Reiseveranstalters erwähnen, der die Entwicklung unseres Projektes so interessiert mitverfolgt, dass er uns um von Marokko erfahren konzipierte Spezialreisen bat.
Mittlerweile kennen uns zahlreiche Wissenschaftler, die sich mit Spezialthemen in Marokko beschäftigen. Ihre Wertschätzung unserer Arbeit gegenüber zeigen sie, indem sie uns über aktuelle Forschungen informieren sowie Fotos und mögliche Ziele für unsere Reiseführer-Landkarten beisteuern.
Und natürlich schätzen viele mit dem Tourismus beschäftigten Marokkaner das Projekt. Sie hoffen verständlicherweise mehr denn je auf Touristen, die das Land intensiver erkunden möchten und in Folge dessen länger an einem Platz verweilen.
Da fällt uns zuerst spontan Tafraoute im Anti Atlas ein. Ein ganz bezaubernder Ort auf knapp 1000m Höhe, umgeben von bizarren Felsen. Hier findet ein beschauliches Leben statt, kleine Gassen und Plätze laden zum Bummeln oder Teetrinken ein, die Umgebung ist ideal für Wanderungen und im Nachmittagslicht grüßt der Löwenkopf vom gegenüberliegenden Massiv des Jbel Lekst.
Löwenkopf in Tafraoute
Aber mittlerweile fällt es uns schon fast schwer, nur einen Lieblingsort zu nennen. Denn je häufiger man Orte besucht, desto liebenswerter werden sie. Anfangs mochten wir beispielsweise Agadir gar nicht. Durch den intensiven Kontakt zu Einheimischen haben wir die Stadt jedoch „neu“ kennen- und schätzen gelernt. Heute ist Agadir ein fester Bestandteil jeder Marokko-Reise bei uns geworden.
Auch Tata war anfangs nur ein „Durchgangsort“ für uns, bis wir dem Charme des Ortes erlagen, uns dort länger niederließen und faszinierende Ziele erkundet haben.
Ja, aber nur auf der Durchreise Richtung Fähre. Da haben wir uns Volubilis, Chefchaouen, Larache und Asilah angesehen. Auch wenn der Norden interessante Sehenswürdigkeiten zu bieten hat, reizt er uns nicht, das Klima ist uns noch zu europäisch, die großen Städte zu quirlig. Für uns beginnt das Marokko, das wir lieben südlich des Atlas.
Volubilis archäologische Stätte in der Nähe von Meknes
Gemeinsam mit einigen Geologen der Universität Ibn Zohr in Agadir hatten wir die Gelegenheit, an einer Exkursion nach Win Timdouine, dem größten unterirdischen Höhlensystem Afrikas teilzunehmen. Dafür wurden alle Teilnehmer im Labor der Universität ausgerüstet: Neoprenanzüge, Wasserschuhe, Helme mit Stirnlampen, außerdem wurden Werkzeug und Transportbehälter ins Auto gepackt. Vor Ort zwängten wir uns in die Neoprenanzüge. Da die Höhle aus Sicherheitsgründen verschlossen ist, begleitete uns der Wächter mit seinem Schlüsselbund zum Eingang und versuchte verzweifelt, die beiden Vorhängeschlösser zu öffnen. Kein Schlüssel passte! So wurde das mitgeführte Werkzeug zweckentfremdet zum Aufbrechen der Schlösser verwendet und die Expedition startete. Bei einer Außentemperatur von 25°C und strahlendem Sonnenschein, empfanden alle die 14°C Luft- und Wassertemperatur in der Höhle als wohltuend. Das Tageslicht verblasste, Lampen wurden eingeschaltet, wir pflügen durch immer tieferes Wasser. Nach und nach stiegen alle Teilnehmer in die als Schwimmringe umfunktionierten Schläuche für Autoreifen. Wir registrierten, dass das Uni-Team – die uns mit ihren Fachkenntnissen haushoch überlegen waren – nicht schwimmen konnten und daher dieses Hilfsmittel brauchten!
Immer wieder ergaben sich Gelegenheiten, die faszinierenden aus Calcit gebildeten Stalagmiten und Stalaktiten zu bestaunen. Nachdem wir ungefähr 1 km in das Höhlensystem eingedrungen waren, erreichten die Forscher ihr Ziel, um an einer Messstation Batterien auszuwechseln und Daten auszulesen. Vor Ort stellten sie jedoch fest, dass die benötigten Batterien noch vor der Höhle lagen… Ein Freiwilliger begab sich auf den Rückweg, während sich alle anderen auf den feuchten Steinen ein bequemes Plätzchen suchten. Um Batterien zu sparen wurden die Stirnlampen ausgeschaltet. Plötzlich begann der Professor, eine Koransure zu singen. Wir lauschten fasziniert. Als er fertig war, wurden wir aufgefordert, ein Gebet zu sprechen, dessen Ende alle Teilnehmer mit „Amen“ beschlossen.
Die Stundenten in der Höhle - Prof. El Hassane Beraaouz
Als der tapfere „Schwimmer“ wieder zur Gruppe stieß, wurden schnell die Messgeräte mit frischen Batterien versehen, dann traten wir den Rückweg an, diesmal voller Vorfreude auf Sonne und Wärme! Hungrig fielen wir wieder draußen angekommen über eine Tajine her, während die Neoprenanzüge in der Sonne trockneten.
Marokkos Vielfalt bietet wirklich für jeden etwas. Ob Meer, Berge, Wüste oder von allem ein bisschen wird jeder nach eigenem Interesse entscheiden können.
Viel wichtiger ist die Einstellung des Besuchers. Für weitere Ratschläge möchten wir gern Dr. Werner Wrage, Hamburger Naturwissenschaftler und Lehrer (er bereiste zwischen 1959-1969 Marokko mehrfach) zitieren: Nach Antritt der Reise sich von allen angelesenen Kenntnissen so weit zu lösen suchen, dass man unbefangen, erlebnishungrig und staunend das fremde Land betreten kann. Alles muss einem neu sein! Immer und überall muss man lernen wollen! Anpassen an fremde Sitten und Gebräuche!...
Wenn man diese Worte beherzigt, steht einem spannenden Urlaub – selbst ohne große Fremdsprachenkenntnisse – nichts im Weg.
Kamelen Stau auf der RN7
Die Marokkaner sind Künstler in der Herstellung der von ihnen benötigten Gegenstände, egal ob aus Silber, Leder, Stoff, Wolle, Metall oder Ton. Nur muss man sich bewusst machen, dass es Kunsthandwerk in unserem Sinn in Marokko nicht gibt, hier handelt es sich wirklich um Gebrauchsgegenstände mit praktischem Charakter. Erst das Interesse der Touristen ließ daraus Souvenirs werden, die heute leider industriell und oft minderwertig hergestellt werden.
Wunderbar finden wir es, wenn diese uralt überlieferten Traditionen auch heute noch Bestand haben. Oft haben wir eine über der Schulter eines Amins hängende und kunstvoll bestickte Ledertasche bewundert. Fasziniert lauschten wir Erklärungen zu den eingewebten Mustern in Teppichen, die oft ganze Familiengeschichten beinhalten. In der Nähe von Tinghir durften wir in einer Frauenkooperative den Frauen bei der Herstellung prächtiger Schmuckstücke über die Schulter schauen.
Zur Aufrechterhaltung dieses Kulturbereiches gehört eine entsprechende Wertschätzung, die heute eigentlich nur noch über eine angemessene Bezahlung des Kunsthandwerks geleistet werden kann. Ist das nicht der einzige Weg, die Handwerker zu motivieren, ihr und Wissen Können an die nächste Generation weiterzugeben?
Frau von Moha ben Ali & Tochter mit Gewandfibeln und silbernen Armreifen (*)
Danke Barbara und Andreas, dass ihr eure unglaubliche Geschichte mit uns geteilt habt und für eure großartige Arbeit, diese sehr geheimen Orte so vielen Menschen wie möglich zugänglich zu machen.
Wir stimmen Ihnen absolut zu, was das Kunsthandwerk angeht. Leider wird der Markt in den Medinas mit minderwertigen Souvenirs für Touristen überschwemmt, die auf der Suche nach einem Schnäppchen sind, und das ist gefährlich, da das ursprüngliche und hochwertige Kunsthandwerk verschwindet. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, es wiederzubeleben und mit sehr talentierten Kunsthandwerkern zusammenzuarbeiten, um Stücke zu schaffen, die ihre Geschichten richtig erzählen!
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